Foto: Martin W. Maier

 

Kompositionsauftrag an Laure M. Hiendl

Radialsystem V, Berlin, Deutschland


In Berlin zieht die ethnologische Sammlung der staatlichen Museen 2019 in das neu erbaute Humboldtforum um. Teil dieser Sammlung ist das Lautarchiv der Humboldt-Universität Berlin, dessen Herzstück aus Aufnahmen von Liedern, Sprachen und Mundarten von Kriegsgefangenen aus aller Welt besteht, insbesondere auch von Kolonialsoldaten der Entente, die während des 1. und 2. Weltkrieges in deutschen Lagern interniert waren. Es gibt wenig bis keine Informationen über die Identität der Aufgenommenen. Sie sind anonyme Stimmen ohne Körper. Wem gehören diese Klänge? Sind sie kulturelles Erbe oder kulturelles Raubgut? Sollten sie weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Oder ist ihre Ausstellung gar eine Wiederholung des Gewaltaktes?

Laure M. Hiendls Komposition Songs for Captures Voices nimmt diese Gewaltakte gegenüber menschlichen Stimmen als Ausgangspunkt, um genau hinzuhören. Auf der Bühne wird keine der gehörten Aufnahmen abgespielt, reproduziert oder vertont. Stattdessen werden neue Geschichten und Melodien für diese Stimmen als performatives Memento entwickelt.

Die Form des Songs gibt die Möglichkeit, diverse musikalische Erzählungen zu entwerfen und so mit den Stimmen in Dialog zu treten. Die Songs sind diesen Stimmen gewidmet, sie sollen den Blick und das Ohr auf das lenken, was nicht ausgesprochen ist und in den Zwischenlauten der anonymen Stimmen existiert.


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