Kompositionsauftrag an Tristan Murail: Reflections / Reflets IV

Gstaad Menuhin Festival & Academy AG, Saanen, Schweiz

Dem Geist und Andenken seines Gründervaters Yehudi Menuhin treu bleibend feiert das Gstaad Menuhin Festival seit 1957 Musik aller Alter und Couleur und spannt den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft. Jährlich wird mindestens ein Kompositionsauftrag vergeben. 2019 geht dieser an Tristan Murail – einen Komponisten, wie er nicht besser zum diesjährigen Festivalmotto Paris passen könnte. Murail ist mit der Stadt Paris eng verbunden, er studierte dort nicht nur u.a. bei Olivier Messiaen am Pariser Konservatorium, sondern verbrachte auch später viele Jahre in der Stadt, um mit der Gründung des Ensemble L'Itineraire Grundlagenforschung im Bereich der Live-Elektronik zu betreiben. Murail gelingt es in seiner Komposition wie nebenbei Bezüge zum alpinen Festivalort herzustellen – dafür erinnerte er sich an ein viele Jahre zurückliegendes Ereignis – einen Alpenüberflug:

„Eines meiner ersten Orchesterwerke hatte den Titel Altitude 8000. Ich hatte die Möglichkeit, an einem Wintermorgen auf dem Weg von Paris nach Nizza die Alpen zu überfliegen, und war fasziniert von dem Schauspiel der schneebedeckten Berge, gerötet von der Morgensonne. Die sanfte Bewegung des Flugzeugs kontrastierte mit den schroffen und zackigen Gipfeln. Diese Eindrücke ließ ich einfließen in die musikalischen Texturen von Altitude 8000 (wobei sich die Höhe von 8000 in dem Fall auf die Höhe des Flugzeugs bezog). Altitude 8000 ist das etwas unbeholfene Stück eines Musikkompositions­studenten... Nun liegt es mir aber am Herzen, auf dieses Thema zurückzukommen und zu versuchen, die Erscheinung von Gletschern und ewigem Schnee erneut zu feiern. Bedauerlicherweise, seit der Zeit der Entstehung von Altitude 8000, begannen Schnee und Gletscher zu schmelzen... Ich denke zum Beispiel an den Gletscher von La Meije (den Messiaen so sehr liebte und den ich oftmals bewundernd betrachtete). Einige hundert Meter ist er bereits zurückgegangen und inzwischen sehen wir seine alte Spur zwischen den Felsen. Dies nun sind also die Ideen und Bilder, die ich für mein neues Stück entdecken möchte: weite offene Räume, Leuchtkraft der Höhen, aber, im Gegensatz dazu, Tauwetter und Zusammenfall.“

 

1. September 2019
Festival-Zelt Gstaad

Weitere Informationen:
www.gstaadmenuhinfestival.ch