Progetto Positano 2018

Progetto Positano ist ein Förderstipendium für junge Kompo­nistinnen und Komponisten, das die Ernst von Siemens Musikstiftung in Zusammenarbeit mit dem ensemble mosaik 2017 ins Leben gerufen hat: Jedes Jahr werden zwei Sti­pen­diatInnen eingeladen, einen Monat in der Casa Orfeo der Wilhelm-Kempff-Kulturstiftung in Positano an der italienischen Amalfi-Küste zu leben und zu arbeiten.
Im Anschluss an die Residenz in Italien präsentiert das ensemble mosaik die Werke der jeweiligen Sti­­­pen­­­dia­­­tInnen im Rahmen eines Doppel­­portrait­­konzerts in Berlin. Der erste Stipendiat war 2017 Johan Svensson. Im Jahr 2018 haben die Komponisten Manuel Rodríguez-Valenzuela und Andreas Eduardo Frank die Residenz erhalten. Die Sti­pen­dia­tInnen werden in Abstimmung mit der Ernst von Siemens Musikstiftung durch das ensemble mosaik jährlich ernannt. Eine Bewerbung ist nicht möglich. Die Sti­pen­dia­tInnen 2019 werden beim Doppelportraitkonzert im Heimathafen Neukölln am 13. Dezember 2018 bekanntgegeben.

Die Ernst von Siemens Musikstiftung engagiert sich auf vielfältige Art und Weise für die zeitgenössische Musik. Neben der jährlichen Vergabe des Ernst von Siemens Musik­preises für ein Leben im Dienste der Musik werden jährlich drei Kompo­nisten­förder­preise vergeben. Darüber hinaus fördert die Ernst von Siemens Musikstiftung jährlich um die 150 zeitgenössische Musikprojekte weltweit. 

Seit 1997 hat sich das ensemble mosaik als besonders experi­men­tier­freu­dige For­ma­tion zu einem der renommiertesten Ensembles für zeitgenössische Musik entwickelt. Seine künstlerische Arbeit ist geprägt von der Auseinandersetzung mit digitalen Medien und der Entwicklung neuer Kon­zert­formate. Einen weiteren Schwer­­punkt bildet die Arbeit mit Nachwuchs­kompo­nis­tInnen. Es entwirft thematische Konzeptionen, die einzelne Werke im Kontext eines Gesamtzusammenhangs reflektieren, aktuelle Strömungen fokussieren und neue Perspektiven erproben: Die Konzerte selbst werden zur Experi­men­tal­anordnung. Im Rahmen vielfältiger Netzwerkprojekte kooperiert das ensemble mosaik mit anderen KünstlerInnen und Ensembles.

www.ensemble-mosaik.de

Manuel Rodríguez-Valenzuela | 64 daily portraits

Portraitkonzert Manuel Rodríguez-Valenzuela
& Andreas Eduardo Frank

Donnerstag, 13. Dezember 2018, 20 Uhr

Heimathafen Neukölln,
Karl-Marx-Straße 141,
12043 Berlin, Deutschland

 

Manuel Rodríguez-Valenzuela: T(t)- Blocks D (2013–14)
für 3 verstärkte elektrische Schreibmaschinen, Video und Objekte

Manuel Rodríguez-Valenzuela:
64 daily self-portraits/micro-variations on a motive of Brahms (2017)
für Violine, Viola, Violoncello und Klavier

Manuel Rodríguez-Valenzuela: <29> (parts I+II+III) (2014–18)
für Ensemble und Video

Andreas Eduardo Frank: Restore factory defaults (2017)
audiovisuelles Musiktheater / Performance für verstärkte Stimme, Elektronik und Video

    I. the alienation of the singer from their Gattungswesen

    II. how to exceed the speed of light

Andreas Eduardo Frank: A clap on common ground (2018)
für Ensemble, Elektronik und Video

Eintritt: € 12,– / erm. € 8,–
VVK unter
Tickethotline 030 56 82 13 40
karten@heimathafen-neukoelln.de
reservix.de

 

 

ensemble mosaik
Enno Poppe – Leitung 
Bettina Junge – Flöte 
Simon Strasser – Oboe 
Christian Vogel – Klarinette 
Martin Losert – Saxophon 
Roland Neffe – Schlagzeug 
Ruben Mattia Santorsa – E-Gitarre 
Ernst Surberg – Klavier 
Chatschatur Kanajan – Violine 
Karen Lorenz – Viola 
Niklas Seidl – Cello 
Arne Vierck – Klangregie
Anne-May Krüger – Stimme / Performance
Eckehard Güther – Videotechnik
Domenik Engemann – Licht

 

Stipendiaten 2018

Manuel Rodríguez-Valenzuela

Manuel Rodríguez-Valenzuela (*1980 in Valencia, Spanien) studierte Kompo­sition in Barcelona, Helsinki und Aarhus und nahm an Meisterkursen in zahlreichen Ländern teil. Heute lebt er in Potsdam. Rodríguez-Valenzuela fühlt sich wohl in der Vielfalt, im Wechsel zwischen zuweilen extrem unterschied­lichen Kompositionstechniken, Instru­men­tie­­rungsmöglichkeiten, Objekten und Medien. Er genießt es zudem, Chaos zu unerwarteten Kombinationen zu ordnen. Derzeit setzt er sich aus­­ein­ander mit Inter­textuali­tät, der Re-In­ter­pre­ta­tion von Werken aus der Vergangenheit sowie seiner persönli­chen Auffassung von Aufrichtigkeit im Kompositionsprozess.

Manuel Rodríguez-Valenzuela | <29> (parts I+II+III)

Dokumentation Aufenthalt

„Während meines Aufenthalts in der Casa Orfeo der Wilhelm-Kempff-Kulturstiftung habe ich mich hauptsächlich auf die Realisierung des Projektes <29> konzentriert. Das dort fertiggestellte Werk für Ensemble, Video und Disklavier ist für mein Portraitkonzert mit dem CrossingLines Ensemble anlässlich des Sampler Seriès Festival für zeitgenössische Musik 2018 in Barcelona entstanden.
In der zweiten Hälfte meines Aufenthaltes konnte ich mit einem neuen Auftragswerk für großes Orchester für das OBC Orquestra Simfònica de Barcelona i Nacional de Catalunya beginnen.

Ich habe meine Zeit in Positano als außerordentlich idyllisch und ruhig wahrgenommen, und da Ruhe mir in letzter Zeit eine Notwendigkeit geworden ist, waren Lebens-und Arbeitsbedingungen für mich ideal. In der Casa Orfeo für einen Monat wohnen zu dürfen, war etwas sehr besonderes.

Das nach Wilhelm Kempffs eigenen Plänen errichtete Haus ist in seinem Ursprung inklusive Ausstattung – angefangen vom Mobiliar bis hin zu seinem Steinway-Flügel – erhalten geblieben und vermittelt dadurch den Charakter eines Museums, in dem gewohnt werden darf.

Beeindruckend war zudem der Garten am Hang mit seinen durch zahlreiche Treppenstufen verbundenen Ebenen mit vielen kleinen Details wie Wandfliesen und Skulpturen, die es zu entdecken galt. Das dort angebaute Gemüse lag zu meiner Freude morgens oft frisch durch den hauseigenen Gärtner geerntet vor der Terrassentür.

Positano ist sehr farbenfroh und mit seinem Meer und der anliegenden Berglandschaft sicherlich zurecht Anzugspunkt für viele Touristen. Somit war es für mich sehr an­ge­nehm, mich fernab der vollen Gassen auf das Anwesen der Casa Orfeo zurückziehen und das Treiben von oben beobachten zu können.“

Manuel Rodríguez-Valenzuela, 19. Juli 2018

Andreas Eduardo Frank

Andreas Eduardo Frank (*1987) ist Komponist, Medienkünstler und Performer. Er studierte an der HFM Würzburg sowie am elektronischen Studio der Musikhochschule Basel. Sein Oeuvre ist vielseitig und geprägt durch die enge Zusammenarbeit mit anderen jungen MusikerInnen und Künst­ler­Innen auf internationaler Ebene. Frank arbeitet in seinen Werken an der Schnittstelle zwischen real und virtuell, zwischen Musik, Performance, Video und Theater. Seinen Stücken geht meist eine poetische Überidee voran, die sich auf komische bis nihilistische Weise in der Musik kontextualisiert. Zahlreiche Aufführungen seiner Werke fanden im europäischen Raum, in Asien und in Amerika statt. Er wurde mehr­fach für sein Schaffen aus­ge­zeich­net.

Andreas Eduardo Frank | 64 daily portraits

Dokumentation Aufenthalt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch um ehrlich zu sein,
das Denken nahm den größten Platz ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich befand mich also auf einer Art Weg
zur Selbsterkenntnis und das war gut so! Denn der Weg, war das Ziel!

Ein Ankommen

Meine Reise begann bereits eine Woche vor dem geplanten Positano-Aufenthalt mit einem kurzen Süditalien-Trip.

Ich flog zunächst von Basel nach Neapel, von dort über Salerno mit der Fähre nach Trapani (Sizilien) und zurück nach Salerno, um von dort aus nach Positano zu fahren. Die Dichte an Orten in kurzer Zeit und die zurückgelegten Strecken waren typisch für meinen aktuellen Lebensstil und ich freute mich extrem darauf, endlich länger als eine Woche an einem Ort zu sein! Schließlich fuhr ich am 3.9. früh morgens mit dem Bus von Salerno aus zur Casa Orfeo.

Die Strecke von Salerno zur Casa Orfeo beträgt ca. 40 Kilometer, jedoch braucht man etwa 3 Stunden, um mit dem Bus von Salerno nach Positano zu gelangen, denn für den ÖV gibt es nur eine sehr schmale Zufahrtsstraße, die sich abenteuerlich an den überwältigenden, ins Meer stürzenden Hängen der Amalfiküste entlang schlängelt. Allgemein wäre hier anzumerken, dass man sich in dieser Region nicht auf den ÖV verlassen sollte.

Angekommen in Positano, wurde ich, bei bestem Wetter, herzlich von Annette von Bodecker in der Casa Orfeo empfangen und eingewiesen. Frau von Bodecker, die im unteren Teil der Casa Orfeo wohnt, war äußerst nett und zuvorkommend. Wir führten wunderbare Konversationen, aßen hin und wieder zusammen zu Abend und entwickelten mit der Zeit eine Freundschaft!
Da ich für die Dauer meines Aufenthalts der einzige Stipendiat auf dem Anwesen war, hatte ich das Privileg, in dem oberen Teil des Anwesens mit seinen großzügigen Räumlichkeiten zu residieren.
Es war im Prinzip ein ganzes Haus, mit riesigem Arbeitszimmer, zwei Steinways, einem eigenen Klavier im Schlafzimmer und einem 3-Meter-Schreibtisch für mich allein.
Ein Traum! Beste Arbeitsvorraussetzungen also, wäre da nicht… die Einsamkeit! Denn ich stellte fest, dass ich eigentlich noch nie in meinem Leben alleine gewohnt habe und das weitläufige Anwesen mit seinen großen Räumen, dem wunderbaren Ausblick aufs Meer und die Ruhe, die dem Ort innewohnte, meine Gefühle verstärkten.

Vor allem die Ruhe war es, die mich aus der Bahn warf. So musste ich mich erst einmal daran gewöhnen. In Positano gibt es – vielleicht auch durch seine Abgeschiedenheit – sehr viele Eigenheiten zu entdecken: angefangen vom Esel, der morgens schreit, über die feinen Essensgewohnheiten, bis hin zur Wolkenbildung, die aufgrund der Hanglage und des damit kollidierenden Meeres ganz besonders ist.
Als sich nun dieses Gefühl der Einsamkeit in mir breit machte, dachte ich, dass dies doch komisch sei, da der Komponist an und für sich nicht in der Gruppe arbeitet, sondern meist ein Einzelgänger ist und ich doch total aufblühen müsste in diesem Umfeld. Jedoch hatte ich in meinem sonstigen Alltag – auch oder vor allem dadurch, dass ich immer an verschiedenen Orten arbeitete – stets Menschen um mich herum, die ich vor und nach oder gar während des Komponierens antraf. Ich musste also erstmal ankommen und zu mir selbst finden… und das Dauerte.

So begann ich, mich in den ersten zwei Wochen verstärkt mit mir selbst zu beschäftigen. Meine Tage starteten mit Yoga und Frühstück, gefolgt von abwechselndem Denken, Schreiben, Ideen Entwickeln, Sounds Schrauben, wieder Denken, und dazwischen lagen inspirierende Spaziergänge durch und um Positano.

Doch um ehrlich zu sein, das Denken nahm den größten Platz ein. Endlich hatte ich Zeit und den Ort gefunden, oder besser gesagt mir die Zeit genommen, um an diesem magischen Ort über das vergangene nachzudenken und infolgedessen besser in die Zukunft arbeiten zu können! Durch die anfängliche Einsamkeit und Zeit mit sich selbst, fühlte ich mich als wäre ich all die Jahre gefangen gewesen, in einem Kontinuum aus Ereignissen, von denen eines auf das nächste Klatschte und zwischen denen nie genug Platz war, um zu rekapitulieren. Ich ging also meine künstlerische und persönliche Vergangenheit durch, analysierte Werke und Aufführungen, um aus Fehlern zu lernen und Stärken für zukünftige Projekte auszubauen.

Ich befand mich also auf einer Art Weg zur Selbsterkenntnis und das war gut so! Denn der Weg, war das Ziel! Bereits in Positano wurde mir klar, dass diese Zeit des Reflektierens und Ankommens extrem wichtig und folgenreich für mich sein würde. Denn nach einiger Zeit passierte etwas Eigenartiges: Die Einsamkeit schlug durch die Beschäftigung mit mir selbst in Kreativität und Selbstbewusstsein um. Es ist schwer zu beschreiben, ich hatte das Gefühl, dass ich durch die Zeit in Positano wirklich wusste, was ich machen wollen würde (und das nicht nur auf kompositorischer Ebene) und es pendelte sich – nach einer langen Zeit des Zweifelns – ein großes Selbstvertrauen zu den entwickelten Ideen und Projekten ein. Ich hatte so langsam begriffen, wie der Ort mit seinen wenigen Einheimischen und vielen Touristen, seinen großen Kontrasten zwischen Berg und Meer, funktionierte. Ich hatte mich eingelebt. Leider musste ich einhergehend mit dieser Feststellung realisieren, dass meine Zeit in Positano schon bald vorüber war… und ich mir nicht vorstellen konnte wieder zurück in den Alltag zu kommen… Ich nutzte die letze Woche, um die Gegend um Positano herum zu erkunden, was in einer (durch einen verpassten Bus…) zehnstündigen Wanderung entlang des Höhenwegs der Amalfi-Küste gipfelte. Am Ende hatte ich das Gefühl, noch einen Monat länger zu brauchen, um die Reise, die ich in der Casa Orfeo begonnen hatte, zu einem Ende zu bringen. Dennoch war die Zeit äußerst produktiv und entschleunigend! Ich bin äußerst positiv zurückgekehrt und dankbar für diese einmalige Möglichkeit.

Andreas Eduardo Frank, 8. November 2018

Positano ist eine Gemeinde an der Amalfiküste in der Provinz Salerno in Kampanien, Italien.

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