Foto: Luca Carrà

 

Salvatore Sciarrino: Vanitas (1981). Analysen, Kontexte, Traditionen

Deutsches Historisches Institut in Rom, Italien

 

Mit der Untersuchung zu Salvatore Sciarrinos Vanitas. Natura morta in un atto (1981) soll eine Forschungslücke geschlossen und erstmals ein monographischer Tagungsband zu diesem Schlüsselwerk Sciarrinos vorgelegt werden. Die Textbeiträge gehen auf den am 23. und 24.11.2015 im Deutschen Historischen Institut in Rom durchgeführten und ebenfalls von der EvS Musikstiftung geförderten Studientag zurück, in dessen Zentrum Sciarrinos Komposition "Vanitas", ihre interdisziplinären Verlinkungen und ihre römische Erstaufführung standen. "Vanitas" ist in verschiedener Hinsicht ein zentrales Werk im Schaffen des italienischen Komponisten, der zu den derzeit bedeutendsten lebenden Komponisten zählt. Das Stück kann zum einen schaffensimmanent betrachtet als typisches Beispiel für Sciarrinos Konzepte innerer Dramatik gelten. Zum anderen verkörpert es – über die musikalische Faktur hinausgehend in besonderer Weise das vom Komponisten selbst stets geforderte Zusammenwirken der Disziplinen, bei dem die Isolation der Musik aufgebrochen werden soll. In "Vanitas" greifen die von Sciarrino angestoßenen transdisziplinären Verknüpfungen weit über die Komposition selbst hinaus und schaffen vielfältige Bezüge, die aufzuzeigen ein vorrangiges Ziel des geplanten Bandes ist. Sciarrinos Schaffen prägen Vorstellungen von Leere, Vergänglichkeit, Verstummen oder Dunkel, Parameter, die als gemeinsame Basis aller bisherigen Kompositionen des Italieners angesehen werden können. Dieser individuellen kompositorischen Disposition stellt die Veröffentlichung einen Überblick über die weitgefächerte Vanitas-Thematik an die Seite, die in der europäischen Musik stets zu den zentralen Sujets zählte und zählt. Zugleich wird der Blick – fächerübergreifend – auf die Bildende Kunst und auf die Literatur gelenkt, Disziplinen, in denen Vanitas-Motive in Verbindung mit Reflektionen über Phänomene der Zeitlichkeit ebenfalls signifikante Wirkungen entfalten. Weitere Beiträge verorten Sciarrinos "Vanitas" im Kontext der neuen europäischen Musik um 1980 und ihrer Ressourcen. Komplettiert wird der Band durch die erstmalige Übersetzung der Werkkommentare des Komponisten zu "Vanitas", die trotz ihrer rätselhaften Verschlüsselung das Verständnis des Stücks in einer offenen und poetischen Weise leiten können.
Ganz im Zentrum des Buches steht dann die Analyse der Komposition selbst. So werden einige der Beiträge die musikalische Gestalt von "Vanitas" untersuchen und dabei erstmals als Keimzelle der Komposition Hoagy Carmichaels Song "Stardust" von 1927 in den Blick nehmen. Nur durch den Bezug auf diese bisher nicht wirklich überzeugend in die Interpretation der musikalischen Struktur einbezogene Quelle kann der von Sciarrino für das Stück verwendete Begriff der "Anamorphose" überhaupt verständlich werden. Hieran wird sich auch der Gattungsdiskurs anschließen, der das Werk einmal als "Bühnenwerk" und aus anderer Perspektive auch als "Lied" einordnet. Das Verschwimmen von Gattungsgrenzen wird hier ganz besonders sinnfällig. Vorrangig werden solche Hybridisierungen in Sciarrinos Kompositionen mit Konzepten von Bühne und Theater verknüpft und von den dramaturgischen Strategien einer "Verinnerlichung des Theaters in die Musik" und von Konzepten eines "armen Theaters" geleitet. Darüber hinaus ist beabsichtigt, dass auch der Komponist selbst in der vorzubereitenden Publikation zu Wort kommt, über die Werkgenese berichtet und dabei auch Fragen künstlerischer Inspirationsprozesse diskutiert. Insgesamt sollen sich die Buchtexte zu einem kaleidoskopischen Ganzen zusammenfügen, in dem sowohl Sciarrinos Komposition "Vanitas" in ihren vielfältigen und faszinierenden musikalischen Bezügen analysiert wird, als auch der kulturgeschichtlich geweitete Blick die ebenfalls vom Sujet der Vanitas-Thematik geprägten Nachbardisziplinen einbezieht. Das Erscheinen des von der EvS Musikstiftung geförderten Bandes ist für Ende 2017 geplant.

 

Weitere Informationen:
musica.dhi-roma.it