Dankesrede Christoph Eschenbachs

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Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte heute meinen allerherzlichsten Dank aussprechen der Ernst von Siemens Musikstiftung, ihrem Kuratorium und dem Stiftungsrat für den an mich verliehenen Preis: Es ist dies eine sehr hohe Ehre und ich achte diese
mit allergrößter Wertschätzung!
Ich danke auch dem Präsidenten der Bayerischen Akademie der Künste, Herrn Krüger, für seine freundlichen Worte.
Ich danke Peter Ruzicka für seine überaus bewegende Laudatio und den Bamberger Symphonikern für Ihre Mitwirkung: bin ich doch mit beiden in jahrzehntelanger Freundschaft verbunden!
Mein Dank gilt auch den jungen Komponisten-Förderpreisträgern, deren musikalische Botschaft an die Welt so ungemein wichtig ist und mir so sehr am Herzen liegt.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde!

mich hat sehr berührt, wie die Musikstiftung in meinem Lebenslauf formuliert hat, dass „die Musik Dienst an meinem Leben tat“ – sozusagen als „Rettung“ und ich deshalb dankbar bin „ganz in ihrem Dienste zu stehen“.
Dies von meiner Seite noch etwas weiter zu erläutern, möchte ich nur einige Worte verwenden, um Ihnen zu sagen, dass es drei Sätze großer Dichter gibt, die mein Leben seit Jünglingsjahren begleitet, geprägt und vertieft haben.
Der erste: Rainer Maria Rilke aus der 7. Duineser Elegie: „Nirgends wird Welt sein, als innen.“
Der zweite, diesem ähnlich: Paul Celan: „Geh mit der Kunst in deine allereigenste Enge – und setze Dich frei.“

Meine Damen und Herren – es ist ein ungeheures Erlebnis beim Musikmachen, dass die Musik wie in einem Zeitraffer tiefenpsychologische Wahrheiten herauskristallisiert, die, wenn und obwohl zeitlich vorbei, jedoch einen Extrakt im Innen bewahren, der für alles Nächste neuen Fundus gebiert. Somit hebt sich Zeit auf: Anstatt dass Zeit – wie üblich – geraubt wird, produziert dieser geheimnisvolle musikalische Mechanismus Zeit: neue Zeit, Neuzeit, Zukunft – und gar eine gewisse Endlosigkeit; all dies immer verbunden mit der ständigen, produktiven Suche nach der Wahrheit des Selbst! Das Selbst scheint zu zerfliegen, nimmt sich aber gleichen Moments im Fluge zurück: So wird der Moment zum Partikel von gelebter Ewigkeit.

Der dritte wohl provokanteste und zugleich akuteste Satz ist, was Franz Kafka über die Wirkung eines Buches sagt: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“
Dies ist ebenso und noch direkter anwendbar auf Musik – und entspricht meiner Mission des Musikmachens. Wir Musiker müssen versuchen, die Menschen aus dem Gefängnis ihrer selbst zu erlösen.
Ich bin der Musikstiftung in enormem Maße dankbar für ihr Er-kennen und die daraus erfolgende An-er-kennung dieser meiner in den Dienst an der Musik übersetzten Lebensmaximen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von Herzen danke ich Ihnen für diesen Abend.