Pierre Boulez

Aus Pierre Boulez' Dankesrede bei der Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises:

Die Forschung ist wie der Hunger...

Diese Kräfte, die ich in mir fühle und die von mir ausgehen — genaugenommen verkörpere ich diese Kräfte gar nicht, im strengen Sinne des Wortes Verkörperung, ich bringe sie nur ans Licht -, ich versuche, diese Kräfte durch mein Handeln Realität werden zu lassen, ihnen eine Form zu geben.

Und ich kenne den Vorwurf nur zu gut, ich würde meine Kräfte verzetteln, all diese vielfältigen Aktivitäten seien doch nur dazu angetan, mich vom Eigentlichen abzuhalten, vom Komponieren. Es gibt ein portugiesisches Sprichwort, das Claudel seinem "Seidenen Schuh" vorangestellt hat und das da lautet: "Gott schreibt gerade mit Hilfe der krummen Linien". Ich habe eineswegs die Absicht, mich mit Gott zu vergleichen und noch weniger mit dem Gekreuzigten — Nietzsche soll mich davor bewahren! Und doch, dies ist ein Sprichwort, mit dem ich mich gerne identifiziere. Diese eigentümliche Geometrie des Geraden, das man mittels Kurven erreicht, hat mich manchmal vielleicht zu sehr angezogen; aber ich kann mir keine Existenz ohne solche Abschweifungen, ohne solche Gefahr der Vielgestaltigkeit vorstellen; dabei bleibt jedoch immer vorausgesetzt, daß inmitten der Vielfalt der Aktivitäten der Kurs beharrlich festgehalten, die Schärfe der Vision nicht verwässert wird...